Das erste Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg, das Margret Bilger durch ihre vorausgegangene Übersiedlung nach Taufkirchen im Juni 1939 nun endgültig in Oberösterreich erlebte, erwies sich für die Künstlerin sowohl in biographischer als auch in künstlerischer Hinsicht von besonderer Bedeutung und Intensität. Ihre Bekanntschaft mit dem Maler Hans Joachim Breustedt, den sie 1953 heiratete, der Tod des Vaters 1949, der enge – vor allem briefliche – Kontakt zu Alfred Kubin und die kärglichen Lebensbedingungen in ihrem Haus in Leoprechting, prägten sie auf einer persönlichen Ebene nachhaltig. Für die Künstlerin stellten der bereits 1945 abgeschlossene Vertretungsvertrag mit Wolfgang Gurlitt, der rasche – auch internationale – Erfolg ihrer Holzrisse und die ersten Glasfensteraufträge, die Anfang der fünfziger Jahre ein allmähliches Ende der graphischen Werkgruppe bedingten, die wesentlichsten Ereignisse dar. Künstlerisch galt ihr Hauptaugenmerk – sieht man von einigen Aquarellen, Zeichnungen und Ölbildern ab – in diesem Zeitraum gänzlich den Holzrissen.
Wie der Großteil der Künstler war Margret Bilger nach 1945 vorerst mit massiven wirtschaftlichen und sozialen Problemen konfrontiert. Während jedoch für die meisten Künstler, deren Werk durch den Krieg radikal unterbrochen worden war, der nunmehrige Zeitraum auch eine Phase der künstlerischen (Neu)Orientierung bedeutete, bleiben die persönlichen Kriegserlebnisse Bilgers, die in der Teilnahme ihres Bruders Ferdinand am spanischen Bürgerkrieg und dem Tod ihres Schwagers, des Bildhauers Franz Blum, individuelle Konzentrationspunkte erfahren hatten, ohne unmittelbare Auswirkung auf ihre künstlerische Arbeit. Statt von der Zäsur des Krieges und seinen Folgen zu sprechen, gilt es bei Margret Bilger vielmehr, die formale und inhaltliche Kontinuität ihres Werkes zu betonen. So hatte sie auch während des Krieges in absoluter Zurückgezogenheit ihr graphisches Oeuvre vorangetrieben und mehrere Ausstellungen, u.a. im Graphischen Kabinett Günther Frankes in München, ausgerichtet. 1942 war sie, angeregt durch einen intensiven Briefkontakt mit Alfred Kubin, auch dazu übergegangen, ihre spezielle technische Behandlung des Holzschnittes künftig als Holzriss zu bezeichnen. Es wäre sicherlich falsch, hier im künstlerischen Kontext von einer bevorzugten Stellung Bilgers als Frau, die eben nicht als Soldat den Krieg miterleben musste, zu sprechen oder gar mangelndes soziales Engagement im Werk Bilgers nach 1945 ausmachen zu wollen, wie dies ein isolierter Vergleich zu Vilma Eckl, die in ihrer Auswahl der Bildthemen um vieles stärker auf zeitgeschichtliche Ereignisse reagierte, vermuten lassen könnte. Statt dessen stellte Bilger ihre von Mythologie, Fabeln und religiösen Momenten zutiefst durchdrungenen Bildwelten – in absoluter Kongruenz zu ihrer eigenen Persönlichkeit – der Realität des Krieges entgegen. Hinweise für politische Konfrontationen mit dem Nationalsozialismus gibt es keine. Künstlerisch blieb Margret Bilger völlig unberührt von der allgemeinen Kunstsituation Oberösterreichs im ersten Nachkriegsjahrzehnt. Zu diesem Zeitpunkt zeigte sie bereits eine klar definierte künstlerische Position, deren Grundstrukturen sich im Zuge ihrer Ausbildung an der Staatsgewerbeschule in Graz 1920, der Kunstgewerbeschule in Stuttgart und vor allem an der Kunstgewerbeschule in Wien 1924 – 1929 in der Auseinandersetzung mit der Malerei, Grafik sowie Glasmalerei schon vor dem Zweiten Weltkrieg zunehmend ausgeprägt hatten. Über ein vergleichbares Formempfinden hinaus hatte Bilger im Expressionismus, speziell im Werk von Paula Modersohn-Becker, und späten Jugendstil persönliche Anknüpfungspunkte, die gleichzeitig von der Faszination an Elementen der Volkskunst begleitet worden waren, gefunden und diese in einer absoluten Individualisierung ihres künstlerischen Ansatzes vorangetrieben.
Gerade durch diese gefestigte Orientierung ihrer künstlerischen Position unterschied sich Bilger nunmehr auch deutlich von dem in Oberösterreich vorherrschenden provinziellen Kunstbegriff, der erst langsam die Folgen der nationalsozialistischen Kunstideologie und Informationsunterdrückung überwinden konnte und immer noch von dem seit der Zwischenkriegszeit vorherrschenden Heimatstil, der nur von wenigen Künstlern wie Alfred Kubin, Klemens Brosch, Carl Anton Reichel oder Aloys Wach durchbrochen worden war, bestimmt wurde. Die in vielen Werken allmählich festzustellende künstlerische Reaktion auf neue Informations- und Rezeptionsmöglichkeiten, fand in den Holzrissen Bilgers nicht statt. Vielmehr vollzog Bilger gerade in diesem Medium in völliger Unabhängigkeit von regionalen Kunsttraditionen ihre formale und inhaltliche Entwicklung, stand dabei jedoch gleichzeitig auch in keinerlei Austausch zu aktuellen Erscheinungsformen internationaler Tendenzen, die ihr durch ihre Teilnahme an der Biennale in Venedig durchaus bewusst gewesen sein mussten. Einer möglichen Öffnung stellte Bilger in diesen Jahren eine Verdichtung und Verinnerlichung ihres künstlerischen Ansatzes entgegen. Dabei beweisen die zahlreichen Briefe an Alfred Kubin, aus welchen zwar komplexen, jedoch auch sehr geschlossenen individuellen Mythologien Bilger jenseits eines unmittelbaren Realitätsbezuges Bildimpulse schöpfte.
Relativ rasch gelang es Margret Bilger, nach Kriegsende wieder in Ausstellungen vertreten zu sein. Neben Präsentationen in Linz, Graz und Ried überraschen vor allem ihre frühen Ausstellungen im Ausland, wie in London 1947, Kopenhagen 1947/48 oder Atlanta/USA 1949. Die eben erst gegründete Neue Galerie der Stadt Linz präsentierte sie 1947 erstmals im Rahmen der Gruppenausstellung „Die schöpferische Frau“ gemeinsam mit Werken von Käthe Kollwitz, Vilma Eckl, Clara Siewert und Ottilie Kasper und widmete ihr drei Jahre später eine repräsentative Einzelausstellung. Ebenfalls 1950 wurde sie in diversen Kritiken als eine zentrale Position in der Themenausstellung „Moderne Religiöse Kunst“ im Oberösterreichischen Landesmuseum bewertet. Diese regionale Wertschätzung erweiterte sich parallel durch eine umfangreiche Ausstellung in der Albertina in Wien 1949 zu einer österreichweiten und durch ihre Berücksichtigung bei der Biennale in Venedig 1952 bald auch zu einer internationalen Aufmerksamkeit, die – sieht man von Alfred Kubin ab – keinem einzigen oberösterreichischen Künstler zeitgleich in diesem Ausmaß zuteil wurde. [...]
Gerade mit der Ausstellung in der Albertina, in der mehr als 200 Holzrisse gezeigt wurden und zu der ein Werkverzeichnis mit Texten von Otto Mauer und Otto Benesch erschien, manifestierte sich eine erste breite Anerkennung der Graphikerin Bilger, die sie jedoch in dieser Intensität zu Lebzeiten nicht mehr erfahren sollte. Warum sie gerade in den späten vierziger Jahren den Höhepunkt in der Wertschätzung ihrer Arbeiten erreichte, mag neben der zurückhaltenderen Beurteilung ihrer späteren Glasmalereien als angewandter Kunstproduktion und der Verlagerung des allgemeinen Kunstinteresses auf Erscheinungsformen der internationalen Moderne auch damit begründet werden, dass die Holzrisse exakt zu diesem Zeitpunkt einen für die damalige Gesellschaft so wichtigen hohen moralischen Identifikationswert (jenseits eines tagespolitischen Aktualitätsbezuges) implizierten. Die Person, ihr Werk, ihre Lebensbedingungen schufen die Möglichkeit für eine romantische, geheimnisvolle und mystische Verklärung, die vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges noch intensiver erlebt wurde und – z.B. im Text „Aus dunklen Hintergründen“ von Otto Mauer – betont wurde. Daß viele der Arbeiten selbst während der Wirren des Krieges entstanden waren und Bilger – scheinbar völlig losgelöst von der allgemeinen Zerstörung und Vernichtung – in einer Welt der Mythen und Fabeln gelebt und künstlerisch gedacht zu haben schien, stilisierte die Holzrisse, die so gar nichts mit der Zeit zu tun haben wollten, zu Ikonen von hohem ethischen Wert. [...]
Während für die meisten Künstler die Kriegsereignisse eine entscheidende Zäsur in ihrem Werk verursachten, vollzog sich der tiefgreifende Wandel bei Bilger erst Jahre später und aus ganz anderen Gründen: 1950 führte sie der Auftrag für die Verkündigungsfenster der Karmelitinnen in Linz erstmals in die Glasfensterwerkstätte des Stiftes Schlierbach. Es war dies der Auftakt für eine nicht mehr abreißende Folge von weiteren Auftragsarbeiten, für deren Ausführung Bilger bis zu ihrem Tod oft Wochen und Monate in Schlierbach zubrachte. Leben und Werk der Künstlerin erfuhren dadurch einen entscheidenden Umbruch. Die bisher dominierende Auseinandersetzung mit dem Holzriß, die sie so konsequent auch über die Kriegsjahre hinweg verfolgt hatte, trat hinter ihr neu erwachtes Interesse für die Glasmalerei zurück und erlosch Mitte der fünfziger Jahre schließlich gänzlich. Nur die Zeichnungen, Aquarelle und die kleine Gruppe der Ölbilder bilden eine Klammer für diese unterschiedlichen Werk- und Lebensabschnitte. Obwohl der Unterschied zwischen ihren Graphiken und den Glasbildern durch die nunmehrige Verwendung von Farbe, den völlig konträren Entstehungsprozeß und die Konfrontation mit ganz anderen Formaten kaum größer hätte sein können, hatte Bilger durch ihre intensive Beschäftigung mit religiösen Motiven in den vorausgegangenen Holzrissen – auf der Bildebene – den entscheidenden Anknüpfungspunkt für die neue Technik selbst längst vorbereitet. Auch war ihr das Medium der Glasmalerei, mit dem sie sich schon während ihres Studiums an der Wiener Kunstgewerbeschule parallel zur Graphik auseinandergesetzt hatte, nicht grundsätzlich neu. Damit ist auch erklärt, warum Bilger ohne eine längere Phase des Experiments sofort exakte Formvorstellungen in großer Übereinstimmung mit den technischen Eigenarten der Glasmalerei realisieren konnte und dabei gleichzeitig auf ikonographischen Vorgaben mit komplexen individuellen Schwerpunktsetzungen zu reagieren vermochte. Obwohl sich das Ansehen Bilgers nach wie vor nicht unwesentlich aus der Rezeption ihrer Holzrisse ableitete, konnte sie sich auch mit ihren glasmalerischen Arbeiten relativ rasch und erfolgreich etablieren: 1955 wurde der Künstlerin im Rahmen der internationalen Ausstellung für Christliche Kunst in Wien die Goldene Medaille für Glasmalerei verliehen. Der schon von Melchior Frommel mehrfach entkräftete Vorwurf, dass „Bilger ihr Bestes, die Graphik, der angewandten Kunst zuliebe aufgeopfert hätte“, verstärkt sich erst in den sechziger Jahren vor dem Hintergrund eines radikalen Umbruchs im öffentlichen Kunstbegriff, wird dabei jedoch gleichzeitig von einem immer geringeren Interesse der Galerien und Ausstellungsinstitutionen am Werk Bilgers begleitet.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die künstlerische Position von Margret Bilger in relativer Unabhängigkeit von der allgemeinen Kunstsituation in Oberösterreich während des ersten Nachkriegsjahrzehnts gesehen werden muß. Mit der völligen Losgelöstheit ihres formalen und inhaltlichen Werkansatzes von zeitgeschichtlichen Ereignissen und dem klar definierten Kunstwollen, das keiner externen Referenzbeziehung bedurfte, unterscheidet sie sich vom Großteil der übrigen Künstler, für die dieser Zeitraum nach einer Verarbeitung persönlicher Kriegserlebnisse vor allem eine Phase der künstlerischen Orientierung und Selbstfindung in der Rezeption unterschiedlicher Stilrichtungen bedeutete. Der frühe Erfolg ihrer Arbeiten kann jedoch nicht verhindern, dass der Alltag der Künstlerin – und damit teilt sie wiederum das Schicksal vieler Künstler – von großer existentieller Not begleitet wurde, ein Umstand, der jedoch keinerlei Thematisierung in ihren Bildwelten erfuhr.